Händehygiene – es liegt „In deinen Händen“
Ein Handschlag zur Begrüßung, das Öffnen einer Tür, der Griff zum Schein im Portemonnaie – wir verbreiten täglich vollkommen selbstverständlich Keime und setzen uns ihnen aus. Allein auf unseren Händen befinden sich ca. 10 Millionen potentiell pathogene Mikroorganismen – eine beeindruckende Zahl, die die Hand zu einem bedeutenden Risikofaktor macht. Neben der normalen Hautflora finden sich auch multiresistente Keime, wie z. B. Staphylococcus aureus und Staphylococcus pseudointermedius, Pseudomonaden, Enterobacteriaceae auf den Händen des tiermedizinischen Personals. [1]
Entsprechend stellt die Händehygiene jede Tierarztpraxis, jede Tierklinik, und jede andere veterinärmedizinische Einrichtung vor große Herausforderungen – und bietet gleichzeitig ein enormes Verbesserungspotenzial für das Hygienemanagement. Durch eine gezielte Verbesserung der Händehygiene kann eine signifikante Reduktion von Krankenhaus-assoziierten bzw. nosokomialen Infektionen (HAI/NI) um 40% erreicht werden. [2, 3]
Die Händehygiene-Compliance (Händehygiene erfolgt entsprechend der „5 Momente der Händehygiene“) in der Tiermedizin liegt mit 14-36% [4, 5] weit unter dem Durchschnittswert der Humanmedizin. Daher lässt sich vermuten, dass hier von einem noch größeren Potential zur Verringerung von nosokomialen Infektionen ausgegangen werden kann. Auch die durchschnittliche Kontaktzeit ist häufig bei der chirurgischen, wie auch bei der hygienischen Händedesinfektion zu kurz. [4, 5]
Wenn das Leben in unseren Händen liegt – Hygiene in der Veterinärmedizin
Das bedeutet, dass die Handhygiene eine der wichtigsten Maßnahmen zur Bekämpfung von nosokomialen Infektionen (HAI/NI) ist. [6]
Sie sollte daher im täglichen Alltag ein fester Bestandteil in der tierärztlichen Praxis und Klinik sein.
Auf einen Blick [1, 3, 4, 7-16]
- HAI Rate 12-19%
- SSI 0,2-7% der Kleintiere und 7,5-25% der Pferde
- Hände-Compliance 14-36%
- MRSA 7%, MRSP 2%, Enterobacteriaceae spp. 14% und Pseudomonas spp. 2%
- Einwirkzeiten Händedesinfektion bei hygienischer (7 sek.), wie auch chirurgischer Händedesinfektion (24 sek.) deutlich zu kurz
Diese Punkte zeigen uns, dass das Leben zuweilen tatsächlich in unseren Händen liegt.
Wir wollen veterinärmedizinische Einrichtungen darin unterstützen, dieses Präventionspotenzial zu nutzen. Ziel ist hierbei auch, an der Compliance des Personals hinsichtlich der Händehygiene zu arbeiten.
Hygienische Händedesinfektion
Hygienische Händedesinfektion
Die Hände stellen für das Personal die wichtigsten Werkzeuge in der Tierarztpraxis und Tierklinik dar. Gerade deswegen sind sie allerdings auch der häufigste Weg für die Übertragung von nosokomialen Infektionen. Einen effektiven und einfachen Schutz gegen nosokomiale Infektionen bietet hier die korrekt durchgeführte Händedesinfektion. Alle notwendigen Schritte finden Sie in unserer Step-by-Step Anleitung zur hygienischen Händedesinfektion im Detail beschrieben.
Step-by-Step Anleitung
Hygienische Händedesinfektion
Standard-Einreibmethode für die hygienische Händedesinfektion gem. EN 1500
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Händehygiene
- An Händen und Unterarmen dürfen keine Ringe (einschließlich Eheringe), Armbänder, Armbanduhren oder Piercings getragen werden
- Fingernägel sollten kurz und abgerundet geschnitten sowie mit den Fingerkuppen abschließend sein
- Künstliche und gegelte Fingernägel sind abzulehnen
- Die Hände sollten keine Verletzungen des Nagelbetts, Entzündungsherde oder andere Verletzungen, insbesondere Schnittverletzungen etc. aufweisen
- Das Händedesinfektionsmittel sollte auf trockene Hände aufgetragen werden
- Im Falle einer möglichen Kontamination mit Viren muss sichergestellt sein, dass das zu verwendende Produkt ein breites Wirkungsspektrum hat und gegen die entsprechenden Viren wirksam ist
Referenz
Praxistipp
Hygienische Händedesinfektion ist erforderlich [6, 17]
- Vor dem Betreten der reinen Seite der Personalschleuse von Operationsabteilungen, Sterilisationsabteilungen und anderen Reinraumbereichen
- Vor dem Betreten von verschiedenen Tierstationen, z. B. Intensivstation
- Vor Patientenkontakt
- Vor aseptischen Tätigkeiten (z. B. Injektionen, Verbandswechsel, Medikamentenzubereitung)
- Nach Kontakt mit potentiell infektiösem Material (Harn, Speichel, Blut, Wundsekret etc.)
- Nach Patientenkontakt
- Nach Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung
- Nach Ablegen von Schutzhandschuhen bei stattgefundenem oder wahrscheinlichem Erregerkontakt oder massiver Verunreinigung
Referenz
Tipp aus der Praxis
Um eine umfassende Händehygiene gewährleisten zu können, sind entsprechende Spender in unmittelbarer Nähe verfügbar und werden regelmäßig aufbereitet und dokumentiert. Flaschen von Händedesinfektionsmittel werden ausschließlich als Einmalprodukte verwendet und mit dem Anbruchdatum versehen.
Poster
Produkte für die Händedesinfektion
Chirurgische Händedesinfektion
Chirurgische Händedesinfektion
Ob bei der Vorbereitung eines operativen Eingriffs oder währenddessen: Stets ist die Minimierung von Risiken eines der obersten Gebote aller Hygienemaßnahmen. Die korrekte Desinfektion der Hände – die des Operateurs, wie auch die von allen anderen an der Operation Beteiligten – ist unabdingbar, um eine etwaige Infizierung des Patienten während des Eingriffs zu vermeiden. Daher zielt die chirurgische Händedesinfektion auf eine weitreichende und möglichst langanhaltende Reduktion der transienten und vor allem der resistenten Hautflora ab. Alle notwendigen Schritte finden Sie in unserer Step-by-Step Anleitung zur chirurgischen Händedesinfektion im Detail beschrieben.
Step-by-Step Anleitung
Chirurgische Händedesinfektion
Wann muss eine Händewaschung vor der chirurgischen Händedesinfektion durchgeführt werden?
Hintergrund-Informationen: Residente Keime
Ein pH-Wert um 5,5 und ein relativ niedriger Feuchtigkeitsgehalt – auf der gesunden Haut herrschen gute Wachstumsbedingungen für die überwiegend grampositive Bakterienflora. Diese Flora wird als residente Flora bezeichnet. Residente Keime zeichnen sich durch ein besonderes Haftvermögen aus. Sie besiedeln hauptsächlich die oberen Schichten der Hornschicht (Stratum corneum) sowie die oberen Anteile der Haarfollikel und der Talgdrüsenausführungsgänge. Etwa 20% der Mikroorganismen sind noch in Schichten tiefer als 0,3 mm nachweisbar. Diese Keimflora schadet dem gesunden Menschen normalerweise nicht; allerdings stellt sie für Wunden und damit für Patienten ein Risiko dar und kann nur durch die chirurgische Händedesinfektion reduziert werden. Sie erfordert daher im Vergleich zur hygienischen Händedesinfektion eine längere Einwirkzeit, um bis in die Tiefe zu wirken.
Bedingungen für die chirurgische Händedesinfektion
- Fingernägel müssen kurz und rund geschnitten sein
- Es dürfen keine Nagelbettverletzungen oder entzündliche Prozesse vorhanden sein
- Ausschließlich Nägel und Nagelfalze sollen bei Bedarf mit weicher (!), (thermisch) desinfizierter Kunststoffbürste und hygienischem Handwaschpräparat gereinigt werden
- Bürsten der Hände und Unterarme ist wegen Hautirritationen und höherer Keimabgabe zu unterlassen
- Armaturen und Spender dürfen nicht über Handkontakt bedient werden
Vorbereitung und Durchführung [6, 17, 18]
- Vor der am OP-Tag erstmalig durchgeführten chirurgischen Händedesinfektion die Hände und Unterarme bis zum Ellenbogen mit nach oben gerichteten Fingerspitzen und tief liegendem Ellenbogen mit einem Handwaschpräparat etwa 30-60 Sekunden waschen
- Ausschließlich Nägel und Nagelfalze sollen bei Bedarf mit einer weichen Kunststoffbürste und einem hygienischen Handwaschpräparat gereinigt werden
- Von einem Bürsten der Hände und Unterarme ist wegen Hautirritationen und höherer Keimabgabe abzusehen (maximal auf hartnäckige Verschmutzungen zu beschränken)
- Nach der Waschphase werden die Hände und Unterarme mit einem keimarmen Handtuch oder einem sterilen Tuch abgetrocknet
- Zwischen Händewaschung und chirurgischer Händedesinfektion soll ein Abstand von möglichst >10 Minuten eingehalten werden
- Bei nachfolgenden chirurgischen Händedesinfektionen ist die Seifenwaschung nicht erforderlich, sofern die Hände nicht sichtbar verschmutzt sind
- Bei der Händedesinfektion werden innerhalb der vom Hersteller deklarierten Einwirkungszeit zunächst die Hände und Unterarme benetzt. Danach wird das Händedesinfektionsmittel analog wie bei der hygienischen Händedesinfektion in beide Hände eingerieben. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Fingerkuppen, den Nagelfalzen und den Fingerzwischenräumen. Wichtig hierbei ist, dass die Hände während der gesamten Einwirkzeit gut angefeuchtet bleiben.
- Handschuhe nicht mit feuchten Händen anziehen
Referenz
Produkte für die chirurgische Händedesinfektion
Reinigung der Hände
Reinigung der Hände
Häufiges Reinigen der Hände entzieht der Haut die schützenden Lipide und beeinträchtigt ihre natürliche Schutzfunktion. Aus diesem Grund sollte unnötiges Händewaschen vermieden werden. Gemäß AWMF-Leitlinie „Händehygiene“ sollte eine Händewaschung durchgeführt werden:
Händewaschen [6, 17]
- Vor Arbeitsbeginn
- Ggf. nach Arbeitsende
- Nach dem Toilettengang
- Nach sichtbarer Verschmutzung
- Nach der Händedesinfektion bei Kontakt mit Bakteriensporen oder Parasiten
Das Waschen der Hände erfolgt unter fließendem Wasser. Mit dem Ellenbogen wird das hautschonende Handwaschpräparat aus dem Spender entnommen. Die Hände werden eingerieben, unter fließendem Wasser abgewaschen und anschließend mit einem Einmalhandtuch sorgfältig abgetrocknet.
Step-by-Step Anleitung
Waschen der Hände
Waschen Sie Ihre Hände, wenn diese sichtbar verschmutzt sind! Verwenden Sie ansonsten Händedesinfektionsmittel. Gesamtdauer: 40-60 Sekunden
Es empfehlen sich zudem
- Spender für Einmalhandtücher
- Flüssige Seife anstatt fester Seife
- Spender mit verlängerter Hebelarmatur für das Handwaschpräparat
Referenz
Produkte für die Händereinigung
Hände- und Hautpflege
Hände- und Hautpflege
Häufiges Waschen und Desinfizieren, ständiger Kontakt mit verschiedenen Substanzen oder häufiges Tragen von Latexhandschuhen – die berufliche Tätigkeit und steigende Umweltbelastungen führen zu einer hohen Beanspruchung der Hände. Hautprobleme sind immer öfter die Folge. Beruflich bedingte Hauterkrankungen haben in den letzten Jahren stark zugenommen und stehen in der Liste der gemeldeten Berufskrankheiten inzwischen an erster Stelle. Klar ist: Verletzungen, Ekzeme und andere Hautkrankheiten sind kein rein ästhetisches Problem. Sie haben hohe hygienische Relevanz. Deshalb gelten Hautschutz, Hautreinigung und Hautpflege als ein wesentlicher Teil des Arbeitsschutzes und werden in der „Allgemeinen Präventionsleitlinie Hautschutz“ der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) beschrieben.
Hautschutz
Der Einsatz von Präparaten zum Hautschutz ist vor allem bei Feuchtarbeiten und bei besonders hautbelastenden Tätigkeiten wichtig. So wird die Widerstandsfähigkeit der Haut gestärkt. Die Berufsgenossenschaft empfiehlt, Hautschutzmittel einzusetzen:
- Vor Arbeitsbeginn
- Vor den jeweiligen Tätigkeiten mit Feuchtigkeitskontakt
- Vor dem Tragen von Handschuhen
- In den Pausen
Und wann immer möglich Flüssigpräparat aus einem Spender zu benutzen.
Praxistipp
Hautpflege
Um die Auswirkungen auf der Haut vom Händewaschen und -desinfizieren zu minimieren, ist es wichtig, auf eine ausreichende Hautpflege zu achten. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Mitarbeiter selbst, denen lästige Hautreizungen und -erkrankungen erspart bleiben sollen: Geschädigte Hände können nicht mehr ausreichend desinfiziert werden, da sich Keime in den geschädigten Hautarealen einnisten und so für das Desinfektionsmittel nicht mehr zugänglich sind. Bereits kleinste Risse und Mikrotraumen sind für Erreger ausreichend, das Risiko der Infektionsübertragung steigt.
Um dieses Risiko zu minimieren, sollte die Hautpflege durchgeführt werden:
- Nach dem Händewaschen
- In den Pausen
- Nach Arbeitsende
- In der Freizeit
- Bei Bedarf
Referenz
Produkte für die Hände- und Hautpflege
Downloads Händegygiene
Händehygiene
[1] Espadale E, Pinchbeck G, Williams NJ, Timofte D, McIntyre KM, Schmidt VM. Are the Hands of Veterinary Staff a Reservoir for Antimicrobial-Resistant Bacteria? A Randomized Study to Evaluate Two Hand Hygiene Rubs in a Veterinary Hospital. Microb Drug Resist 2018; 24(10):1607-16.
[2] Rosenthal VD, Guzman S, Safdar N. Reduction in nosocomial infection with improved hand hygiene in intensive care units of a tertiary care hospital in Argentina. Am J Infect Control 2005; 33(7):392-7.
[3] Pittet D, Hugonnet S, Harbarth S, Mourouga P, Sauvan V, Touveneau S et al. Effectiveness of a hospital-wide programme to improve compliance with hand hygiene. Infection Control Programme. Lancet 2000; 356(9238):1307-12.
[4] Anderson MEC, Sargeant JM, Weese JS. Video observation of hand hygiene practices during routine companion animal appointments and the effect of a poster intervention on hand hygiene compliance. BMC Vet Res 2014; 10:106.
[5] Anderson MEC, Foster BA, Weese JS. Observational study of patient and surgeon preoperative preparation in ten companion animal clinics in Ontario, Canada. BMC Vet Res 2013; 9:194.
[6] Organization WH. WHO Guidelines on Hand Hygiene in Health Care: First Global Patient Safety Challenge. Clean Care is Safer Care. Geneva: World Health Organization; 2009.
[7] Curtiss AL, Stefanovski D, Richardson DW. Surgical site infection associated with equine orthopedic internal fixation: 155 cases (2008-2016). Vet Surg 2019; 48(5):685-93.
[8] Eugster S, Schawalder P, Gaschen F, Boerlin P. A prospective study of postoperative surgical site infections in dogs and cats. Vet Surg 2004; 33(5):542-50.
[9] Huppes T, Hermans H, Ensink JM. A retrospective analysis of the risk factors for surgical site infections and long-term follow-up after transpalpebral enucleation in horses. BMC Vet Res 2017; 13(1):155.
[10] Adin CA. Complications of ovariohysterectomy and orchiectomy in companion animals. Vet Clin North Am Small Anim Pract 2011; 41(5):1023-39, viii.
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[12] Babcock HM, Carroll C, Matava M, L'ecuyer P, Fraser V. Surgical site infections after arthroscopy: Outbreak investigation and case control study. Arthroscopy 2003; 19(2):172-81.
[13] Turk R, Singh A, Weese JS. Prospective surgical site infection surveillance in dogs. Vet Surg 2015; 44(1):2-8.
[14] Stetter J, Boge GS, Grönlund U, Bergström A. Risk factors for surgical site infection associated with clean surgical procedures in dogs. Research in veterinary science 2021; 136:616-21.
[15] Anderson MEC, Sargeant JM, Weese JS. Video observation of hand hygiene practices during routine companion animal appointments and the effect of a poster intervention on hand hygiene compliance. BMC Vet Res 2014; 10:106.
[16] Schmitt K, Zimmermann ABE, Stephan R, Willi B. Hand Hygiene Evaluation Using Two Different Evaluation Tools and Hand Contamination of Veterinary Healthcare Workers in a Swiss Companion Animal Clinic. Vet Sci 2021; 8(11).
[17] Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2016; 59(9):1189-220.
[18] Robert-Koch-Institut (RKI). Prävention postoperativer Wundinfektionen. Bundesgesundheitsbl 2018; 61(4):448-73.
[19] AWMF online – S2-Leitlinie Krankenhaushygiene: Händedesinfektion und Händehygiene; 2016 (cited 2022 Nov 3).
[20] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). DGUV Information 212-017 „Auswahl, Bereitstellung und Benutzung von beruflichen Hautmitteln“.